Die Große Koalition sollte in einer parlamentarischen Demokratie eine Ausnahme bleiben – und nicht zu einem Regelzustand werden.
Die Statik der repräsentativen Demokratie ist darauf angewiesen, dass eine konservative und eine linke Volkspartei um die Mehrheit und damit um die Macht konkurrieren. Durch eine Große Koalition ist diese Balance gefährdet, weil diese Konkurrenz der beiden Parteien aufgehoben ist. Deshalb ist eine Große Koalition nur in Ausnahmefällen und nur befristet zu akzeptieren.
Durch die Große Koalition verschärft sich die Krise der repräsentativen Demokratie.
Der Wahlerfolg der AfD hat die repräsentative Demokratie in eine tiefe Krise gestürzt. Jeder achte Wähler hat für eine Partei gestimmt, die der politischen Elite vorwirft, die Bürger nicht mehr zu vertreten und nur noch die eigene Macht abzusichern. Dieser Eindruck einer Praxis des undurchsichtigen und zwielichtigen Kungelns wird durch die Arbeitsweise einer Großen Koalition noch weiter befördert.
Durch den Eintritt der SPD in die Große Koalition wir die AfD zur wichtigsten Oppositionspartei im Bundestag.
Unter den Vorzeichen einer Großen Koalition findet die zentrale Auseinandersetzung im Parlament nicht mehr zwischen den beiden Volksparteien, sondern zwischen der Regierung und den Rechtspopulisten statt. Sie können sich als wichtigste Kraft der Opposition an prominenter Stelle präsentieren und werden dadurch politisch aufgewertet.
Jedes Zusammengehen der beiden Volksparteien stärkt die Parteien am rechten Rand – auch in Deutschland.
Die Erfahrungen vieler europäischer Länder zeigen: Jede Große Koalition führt jeweils zu einer Stärkung rechter und rechtspopulistischer Parteien. Menschen, die mit der Arbeit der Regierung nicht einverstanden sind, werden den Parteien am rechten Rand in die Arme getrieben. Das lässt sich nicht zuletzt am Beispiel Österreichs nachweisen.
Die Gemeinsamkeiten zwischen CDU/CSU und SPD sind nach zwei Großen Koalitionen aufgezehrt.
Der Vorrat an Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Volksparteien ist ohnehin begrenzt. Nach acht gemeinsamen Jahren gibt es kaum noch etwas, was CDU/CSU und SPD miteinander verbindet. Zwei Partner, die kaum noch etwas gemeinsam haben, sollten aber nicht zusammen gehen – weil eine solche Koalition dann keine Basis mehr hat.
Die Unionsparteien sind ein unzuverlässiger Partner.
In der letzten Großen Koalition (2013-2017) haben CDU und CSU verhindert, dass gemeinsame Projekte auch tatsächlich umgesetzt wurden. Das gilt z.B. für die Einführung einer Solidarrente und für das Recht für Teilzeitbeschäftigte auf die Rückkehr in Vollzeit.
Die CDU/CSU verwässert die Vereinbarungen des Koalitionsvertrages bis zur Unkenntlichkeit.
Die Erfahrungen aus zwei Großen Koalitionen zeigen, dass es der CDU/CSU im parlamentarischen Verfahren bisher immer gelungen ist, das gemeinsam Vereinbarte aufzuweichen und zu entstellen. Hier macht sich der enge Schulterschluss von Wirtschaftslobby und Unionsparteien bemerkbar. So wurde die Mietpreisbremse bis zur völligen Unkenntlichkeit zurechtgestutzt.
Die Unionsparteien haben es noch immer verstanden, sozialdemokratische Projekte als eigene Leistungen zu verkaufen.
Viele Vorhaben der Großen Koalition wurden von den Wählern begrüßt. Sie wurden aber als Verdienst der Bundeskanzlerin und der Unionsparteien verkauft. Das zeigt das Beispiel des Mindestlohns, der zwar ein sozialdemokratische Projekt war, aber nicht als solches kommuniziert wurde.
Eine Große Koalition würde das Ergebnis der Bundestagswahl 2017 verfälschen.
Bei der Bundestagswahl haben die Unionsparteien und die SPD zusammen 15% der Wählerstimmen eingebüßt. Diese Abstrafung der Koalitionsparteien war das signifikanteste Ergebnis der Wahl. Wenn sich jetzt die beiden Lager auf ein „Weiter so!“ verständigen, kann das nur heißen, dass sie die Botschaft der Wähler nicht verstanden haben.
Eine weitere Große Koalition würde die SPD in der Wählergunst weiter verlieren.
Bei den Bundestagswahl 2005 holte die SPD noch 34, 2 % der Wählerstimmen. Nach vier Jahren Großer Koalition waren es dann nur noch 23 %. Nach einer weiteren GroKo ist die SPD inzwischen bei 20,5 % gelandet. Nach einer neuerlichen Großen Koalition wären es dieser Gesetzmäßigkeit nach dann nur noch 13,3 %. Damit würde die SPD in die Bedeutungslosigkeit abstürzen – so wie die Niederländischen Sozialdemokraten, die inzwischen bei 5,7 % angekommen sind – nach einer Großen Koalition.
Den Wählern ist der Zick-Zack-Kurs unserer Partei nicht länger zu vermitteln.
Die SPD hat nach der Bundestagswahl verbindlich erklärt, in die Opposition zu gehen und diese Selbstverpflichtung nach dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen erneuert. Die Bürger können nicht nachvollziehen, warum sie jetzt eine Kehrtwende hinlegt. Das gilt auch für das Versprechen von Martin Schulz kein Ministeramt übernehmen zu wollen.
Auch als Oppositionspartei kann die SPD der Verantwortung für das Gemeinwesen übernehmen.
Der Eintritt in eine Große Koalition wird nicht zuletzt mit der Verantwortung für das Gemeinwesen begründet. Eine Partei kann in der Opposition aber ebenso Verantwortung übernehmen wie in der Regierung – weil sie das Funktionieren der parlamentarischen Demokratie gewährleistet.
In einer Großen Koalition ist das Profil der SPD als linker Volkspartei nicht mehr vermittelbar.
Die Koalitionsdisziplin würde von den Sozialdemokraten verlangen, alle von der Regierung getroffenen Entscheidungen nach außen zu vertreten und zu verteidigen. Sie könnten von sich nicht mehr glaubwürdig behaupten, eigentlich ganz anderer Meinung zu sein, und sich zu einer linken Politik bekennen – weil ihnen das keiner glauben würde.
Es gibt eine Alternative zur Großen Koalition: die Minderheitsregierung
Angeblich muss die SPD in eine Große Koalition eintreten, weil sonst das Land ohne Regierung wäre. Die Große Koalition ist aber keineswegs alternativlos, weil die Unionsparteien auch eine Minderheitsregierung bilden könnte – so wie das auch in Skandinavien oder in Spanien funktioniert. Dass Frau Merkel dazu keine große Lust hat, ist noch kein Argument.
Als Mitglied der Bundesregierung hat die SPD keine Möglichkeit, sich programmatisch und organisatorisch zu erneuern.
Eine Erneuerung der SPD ist überfällig. Das war allen Beteiligten nach dem Desaster der Bundestagswahl vom 24. September bewusst. Eine Partei kann sich aber nicht erneuern, wenn sie sich gleichzeitig in der Regierungsarbeit aufreibt und wenn sie auch in ihrer Programmatik mit den einzelnen Entscheidungen der Bundesregierung identifiziert wird. Nur aus einer Distanz zur Regierungsarbeit heraus kann eine Partei sich nach innen hin erneuern.
Diese Große Koalition hat keine gemeinsame Vision.
Der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD enthält viele einzelne Maßnahmen, ohne dass eine gemeinsame Idee oder auch nur eine gemeinsame Überschrift sichtbar würde. So kann die CSU ungestraft behaupten, mit dieser Regierung eine bürgerlich-konservative Wende anzustreben und die SPD für dieses Projekt zu vereinnahmen.
Der Auftrag der Bundesparteitags hat sich in den Koalitionsgesprächen nicht durchsetzen lassen.
Der Bundesparteitag hat die Parteiführung am 21. Januar beauftragt, substanzielle Verbesserungen beim Einstieg in die Bürgerversicherung, bei einer Beendigung der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen und beim Familiennachzug durchzusetzen. Zumindest beim Familiennachzug ist dieser Auftrag nicht erfüllt worden. Hier wurden der Vorstellungen der CSU 1:1 umgesetzt und hier hat sich seit den Ergebnissen der Sondierungsgespräche nichts bewegt.
Die SPD hat sich bei den Sondierungs- und Koalitionsgesprächen über den Tisch ziehen lassen.
Bei den Verhandlungen im Vorfeld der Großen Koalition hat die CSU ihre Kernforderungen nach einer Obergrenze beim Flüchtlingszuzug, nach einer Aussetzung beim Familiennachzug und nach einem Ausbau der Mütterrente ohne Abstriche durchsetzen können. Die SPD aber hat bei ihren Kernthemen – wie z.B. einer zusätzlichen Besteuerung großer Einkommen und Vermögen – nichts durchsetzen können, weil die Unionsparteien dagegen waren.
Die Große Koalition verhindert den überfälligen Generationswechsel in der deutschen Politik.
Wichtigste Funktion einer Großen Koalition ist es, den bisher Verantwortlichen ein Weiterregieren zu ermöglichen. Das gilt vor allem für die Person der Bundeskanzlerin, bei der kein Gestaltungswille, sondern nur noch Moderationsroutine festzustellen ist. Die SPD hat keinen Anlass, Frau Merkel unbedingt im Amt zu halten und einen fälligen Generationswechsel – wie z.B. in Frankreich – weiter hinauszuzögern.
Dieser Mitgliederentscheid ist nicht transparent.
Eine Regierung wird weniger von irgendwelchen Koalitionsverträgen, sondern vor allem von den handelnden Personen getragen. Deshalb hätten die SPD-Mitglieder ein Recht darauf, die Namen der sozialdemokratischen Ministerinnen und Minister zu erfahren, bevor sie beim Mitgliederentscheid ihr Votum abgeben. Denn ein solcher Mitgliederentscheid ist kein Freibrief.
Hier können unsere 20 Argumente heruntergeladen werden. Über eine Weiterverbreitung würden wir uns freuen!