Bundesverfassungsgericht: CETA vorläufig nur, wenn Deutschland wieder aussteigen kann

Bundesverfassungsgericht: CETA vorläufig nur, wenn Deutschland wieder aussteigen kann

13. Oktober 2016

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden: Das Abkommen kann nur unterzeichnet werden, wenn sichergestellt ist, dass im Falle eines späteren Karlsruher Urteils Deutschland wieder aussteigen kann. Nur unter dieser Voraussetzung darf Wirtschaftsminister Gabriel im EU-Ministerrat zustimmen. Das Bundesverfassungsgericht rechnet also stark damit, dass es im Hauptprozess entscheiden könnte, dass CETA verfassungswidrig ist!

Zwar hat das Bundesverfassungsgericht die vorläufige Anwendung von CETA nicht verboten, aber mit sehr harten Auflagen verbunden. Danach muss die Bundesregierung die geplante vorläufige Anwendung jederzeit auch im Alleingang beenden können. Der gemischte Ausschuss muss demokratisch rückgebunden sein und die vorläufige Anwendung darf sich ausschließlich auf den EU-Teil beziehen. Investitionsschutzgerichte sind also ausgenommen.

Der Prozess, bei dem über die Verfassungswidrigkeit entschieden wird, folgt voraussichtlich im nächsten Jahr. Heute ging es erst einmal um eine einstweilige Anordnung.

Das Bundesverfassungsgericht sieht es offenbar als durchaus möglich an, dass es zu der Auffassung kommen wird, dass die verfassungsrechtlichen Bedenken der Kläger berechtigt sind. Der Bundesvorstand und die Antragskommission der Bundes-SPD hätten also gut daran getan, mehr auf die CETA-kritischen Anträge der Basis beim SPD-Konvent zu hören, anstatt einen CETA-Beschluss durchzudrücken, in dem ein vielleicht verfassungswidriges CETA befürwortet wird.

Die großen verfassungsrechtlichen Bedenken, welche die bayrische SPD in ihrem Nein-zu-CETA-Beschluss auf ihrem Parteitag in Amberg beschlossen hat, waren und sind also berechtigt. Ebenso, dass die bayrischen Delegierten beim Konvent den Leitantrag ablehnten; wie übrigens auch die knappe Minderheit der Delegierten, zählt man nicht die 32 stimmberechtigten Vorstandsmitglieder.

Das Bundesverfassungsgericht hat auch große Zweifel geäußert, dass CETA nach einer Vorläufigkeitserklärung wieder rückgängig gemacht werden kann, und mit Auflagen an die Bundesregierung versucht, dies zu verhindern.

Das Bundesverfassungsgericht schreibt dazu in seiner Pressemitteilung:

"Die Bundesregierung muss allerdings sicherstellen,

  • dass ein Ratsbeschluss über die vorläufige Anwendung nur die Bereiche von CETA umfassen wird, die unstreitig in der Zuständigkeit der Europäischen Union liegen,

  • dass bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der Hauptsache eine hinreichende demokratische Rückbindung der im Gemischten CETA-Ausschuss gefassten Beschlüsse gewährleistet ist, und

  • dass die Auslegung des Art. 30.7 Abs. 3 Buchstabe c CETA eine einseitige Beendigung der vorläufigen Anwendung durch Deutschland ermöglicht."

Daher wäre es besser, der Vorläufigkeitsbeschluss käme erst gar nicht zustande. Es bleibt zu hoffen, dass Österreich mit den österreichischen Sozialdemokraten im EU-Ministerrat gegen die Vorläufigkeit von CETA stimmt.

Urteilsverkündung zu CETA

BVerfG: CETA nur vorläufig mit Bedingungen

Das Bundesverfassungsgericht äußert in seiner Pressemitteilung an 3 Stellen, dass die grundlegenden Bestimmungen des Grundgesetzes nach Artikel 79, Abs.3 durch CETA verletzt worden sein könnten. Es schreibt u.a.: "Auch ist eine Berührung der durch Artikel 79 Abs. 3 GG geschützten Verfassungsidentität nicht ausgeschlossen."

"bb) Einer etwaigen Berührung der Verfassungsidentität (Art. 79 Abs. 3 GG) durch Kompetenzausstattung und Verfahren des Ausschusssystems kann - jedenfalls im Rahmen der vorläufigen Anwendung - auf unterschiedliche Weise begegnet werden. Es könnte etwa durch eine interinstitutionelle Vereinbarung sichergestellt werden, dass Beschlüsse des Gemischten CETA-Ausschusses nach Art. 30.2 Abs. 2 CETA nur auf Grundlage eines gemeinsamen Standpunktes (Art. 218 Abs. 9 AEUV) gefasst werden, der im Rat einstimmig angenommen worden ist."

"cc) Sollte sich entgegen der Annahme des Senats ergeben oder abzeichnen, dass die Bundesregierung die von ihr angekündigten Handlungsoptionen zur Vermeidung eines möglichen Ultra-vires-Aktes oder einer Verletzung der Verfassungsidentität des Grundgesetzes (Art. 79 Abs. 3 GG) nicht realisieren kann, verbleibt ihr in letzter Konsequenz die Möglichkeit, die vorläufige Anwendung des Abkommens für die Bundesrepublik Deutschland durch schriftliche Notifizierung zu beenden (Art. 30.7 Abs. 3 Buchstabe c CETA)."

Die Zitate finden Sie in der Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts:

Pressemitteilung des BVerfG zur CETA-Vorläufigkeitsentscheidung

Artikel 79 Abs. 3 GG lautet:

"Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig."

Art 20 lautet: "(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt..."

Das Bundesverfassungsgericht sagt also mehrfach, dass CETA Artikel 79 Abs. 3 GG gefährden könnte, die Bundesrepublik Deutschland als demokratischer und sozialer Bundesstaat gefährdet sein könnte, und deshalb die Bundesregierung sicherstellen muss, dass Deutschland aus CETA wieder aussteigen kann.

Die große Bedeutung des Artikels 79 Abs. 3 für unsere Verfassung können Sie hier in Wikipedia nachlesen:

Ewigkeitsklausel Artikel 79 Abs. 3 des Grundgesetzes

Erklärung der DL21-Vorsitzenden Hilde Mattheis zur CETA-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

Erklärung des SPD-MdBs Marco Bülow zum Urteil des BVerfGs zu CETA

Wolfgang Schmid

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