Gegenargumente zum Begleitbrief zum SPD-Mitgliedervotum

Gegenargumente zum Begleitbrief zum SPD-Mitgliedervotum

21. Februar 2018

Der Begleitbrief zum SPD-Mitgliedervotum:

- widerspricht dem Beschluss des Bonner Parteitags, pro und contra gleich zu Wort kommen zu lassen.

- Er widerspricht demokratischen Regeln, weil ein Werbebrief einer Abstimmung nicht beizuliegen hat.

- Es hätte wenigstens ein Contra-Brief gleichen Umfanges dazu gehört. Der fehlt aber.

Wir setzen uns hier mit einigen Argumenten der Verhandlungskommission in diesem Begleitschreiben auseinander. Leider unterrichtete nur die Verhandlungskommission, getarnt als Parteivorstand, einseitig die Mitglieder.

Wir haben bereits 20 grundsätzliche Argumente gegen die Große Koalition aufgeführt, die man hier nachlesen kann: 20 Argumente gegen eine Koalition

Inhaltliche und grundsätzliche Erwägungen, und welche Alternativen es zur GroKo gibt, sind hier zu lesen: Inhaltliche und grundsätzliche Erwägungen gegen die GroKo

KRITIK DER ARGUMENTE DES VERHANDLUNGSKOMMISSION IM MITGLIEDER-BEGLEITBRIEF

Je genauer man den Koalitionsvertrag anschaut, desto mehr sieht man, dass hinter den schönen Überschriften oft nicht das steht, was versprochen wird. Wir befürchten, dass dies nicht nur der CDU/CSU angelastet wird, sondern auch der SPD.

Der Begleitbrief behauptet unter anderem, der Vertrag stehe

Für ein demokratisches und soziales Europa

mit folgenden Argumenten:

  • "Initiativen für europäische Mindestlöhne"

    Es soll aber nur ein „Rahmen“ für Mindestlöhne „entwickelt“ werden. (Zeile 171 des Koalitionsvertrags)

  • „Mehr Mittel im Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit“

    Nur Initiativen sollen gestärkt werden, von finanziellen Mitteln steht nichts drin. (Zeile 2969)

  • „Einsatz für gerechtere Besteuerung von Unternehmen in ganz Europa“

    Zwar wird in Zeile 181 gesagt, „Wir „unterstützen“ gerechte Besteuerung großer Konzerne“, selber wird die Bundesregierung offenbar nicht aktiv werden. Ob die EU-Kommission aktiv wird, ist fraglich.

    Die Verhinderung des Verschiebens von Gewinnen internationaler Konzerne (OECD-BEPS-Verpflichtungen) sollte bis 2015 umgesetzt werden. (Zeile 3141) Dies ist immer noch nicht geschehen!

  • "Einsatz gegen ... Steuervermeidung"

EU-Vorschläge sollen nur geprüft werden (Zeile 3146) Die EU-Anti-Steuervermeidungsrichtlinie 2016/1164 oder ATAD ist jetzt schon bis spätestens 31.12.2018 in nationales Recht umzusetzen und die Vorschriften ab dem 1.1.2019 anzuwenden. Also: die GroKo will sich nicht vor unseren Verpflichtungen wie bisher drücken, unter einem CDU-Finanzminister.

Von einem Ende des Spardiktats in Europa steht nichts im Vertrag. Darüber wird wohl noch gestritten werden.

Die EU-Initiative „Europe on the Move” (=Liberalisierung des Transportsektors) (Zeile 3832) soll nur „kritisch“ begleitet, nicht abgelehnt werden.

Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer:

  • „Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen zahlen keinen Solidaritätszuschlag mehr.“

Der Solidaritätszuschlag soll erst ab 2021 abgeschafft werden.

  • „Wir werden die Steuerbelastung der Bürger nicht erhöhen.“ (Zeile 2442)

D.h., es werde keine Ansätze unternommen, die sehr ungleiche Einkommens- und Vermögensverteilung etwas weniger ungerecht zu machen!

Höhere pauschale Steuerfreibeträge für Behinderte werden nur geprüft.

Kritisch mit dem Koalitionsvertrag hat sich auch die AfA Bayern, die Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen, auseinandergesetzt. Einige von deren kritischen Bemerkungen zum Koalitionsvertrag und zu den Argumenten des Begleitbriefs veröffentlichen wir hier. Der gesamt Text kann am Ende heruntergeladen werden.

Befristungen

Koalitionsvertrag:

  1. Befristete Verträge ohne Sachgrund möglich, Reduzierung der Höchstdauer von 24 auf 18 Monate, nur noch einmalig (statt dreimalig) in dieser Zeitspanne verlängerbar

  2. Sachgrundlose Befristungen pro Arbeitgeber ab 75 Angestellten nur maximal 2,5 % der Beschäftigten

  3. Befristungen mit Sachgrund nur noch bis maximal fünf Jahre (vorher: keine zeitlichen Höchstgrenzen, nur einzelne Urteile in Extremfällen)

  4. Nach unbefristetem Vertrag oder Befristung mit Gesamtdauer von fünf Jahren darf erst nach einer Karenzzeit von drei Jahren wieder eine Befristung für den/ die Beschäftigte/n ausgesprochen werden

Bewertung:

Das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt-, und Berufsforschung (IAB) geht davon aus, dass sich die Anzahl der sachgrundlosen Befristungen um 400.000 reduzieren könnte.

Das bedeutet laut IAB aber auch, dass weiterhin 900.000 sachgrundlose Befristungen bestehen blieben.

Die Regelung bringt also für die reine Anzahl an sachgrundlos befristeten Verträgen eine Verbesserung. Wir bemängeln jedoch, dass es unklar ist, was mit den 400.000 Betroffenen geschehen soll. Es ist nicht klar, ob die bestehenden befristeten Verträge zu unbefristeten umgewandelt werden würden. Für die ArbeitnehmerInnen in Unternehmen unter 75 Beschäftigten bringt der Vertrag keinerlei Verbesserung. Auch kritisieren wir stark, dass sachgrundlose Befristungen weiterhin möglich sein werden.

Die Begrenzung der Dauer der sachgrundlosen Befristungen von 24 auf 18 Monate könnte einerseits den positiven Effekt haben, dass diese für Unternehmen allgemein weniger attraktiv werden, andererseits erschwert dies die Planbarkeit für Arbeitnehmer/innen noch weiter.

Die zeitliche Begrenzung von Befristungen mit Sachgrund ist zu begrüßen, da somit Kettenbefristungen etwas eingedämmt werden können. Fünf Jahre ist jedoch eine zu lange Zeitspanne für Befristungen. Arbeitnehmer/innen brauchen Sicherheit für Familienplanung, Wohnortentscheidungen, Kredite etc. Es fehlen leider weitere Einschränkungen dafür, was als „Sachgrund“ gelten darf. Momentan ist es sehr einfach einen Sachgrund zu finden.

Stellungnahme der AfA Bayern zum Koalitionsvertrag (PDF, 150 kB)

In der folgenden zusammenfassenden Tabelle werden das Sondierungspapier, das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen und die Einschätzung der DL21 einander gegenüber gestellt.

Synopse - Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen von CDU/CSU und SPD (PDF, 438 kB)

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