Liebe Genossinnen, liebe Genossen!
„Für die Bestimmung eines Staates zum sicheren Herkunftsstaat muss Sicherheit vor politischer Verfolgung landesweit und für ALLE Personen- und Bevölkerungsgruppen bestehen.“
Diesem Urteil, formuliert vom Bundesverfassungsgericht schon 1996 (BVerfGE 94, 115), ist aus Sicht der DL21-Bayern fast nichts hinzuzufügen. Wir weisen nur ergänzend darauf hin, dass mit den genannten Personen- und Bevölkerungsgruppen auch LGBT*-Menschen, gemeint sind – also Schwule, Lesben, Bisexuelle, Transgender etc.
Der Bundesparteitag 2017 hat den Antrag der Berliner SPD und der Arbeitsgemeinschaft SPDqueer, die Staaten Tunesien, Marokko und Algerien nicht zu sicheren Herkunftsländern zu erklären, in den Arbeitsprozess #SPDerneuern des SPD-Parteivorstands überwiesen.
Beim letzten Parteitag wurde überall getitelt „Die BayernSPD setzt sich von Berlin ab“ - warum nicht auch in dieser Frage? Wir haben in Bayern einen Beschluss unseres höchsten Gremiums, dem Landesparteitag von 2015: „Wir lehnen die Ausweitung von sicheren Herkunftsstaaten“ - zum Beispiel um die sogenannten Maghreb-Statten- „ab“.
Die SPD-Landtagsfraktion ist auch an keinen Koalitionsvertrag gebunden. Die Leitlinien müssen also unsere Parteitagsbeschlüsse sein. Und wenn argumentiert wird, dass dieser Beschluss von 2015 sei, dann weisen wir darauf hin, dass wir dann bei Anträgen zu Parteitagen auch den Einwand „erledigt durch Beschlusslage“ nicht mehr brauchen. Und wir garantieren euch, dass dieser Antrag alle 2 Jahre wieder gestellt und wieder beschlossen wird.
Dennoch habt Ihr euch als Landtagsfraktion ohne jede Not beim Dringlichkeitsantrag der FDP-Fraktion zur Einstufung von Staaten im Maghreb sowie Georgien als „sichere Herkunftsländer“ enthalten. Selbst die CSU und Freien Wähler, aber auch die GRÜNEN, haben den Antrag abgelehnt.
Aufgrund nachvollziehbarer und mittlerweile allgemein bekannten Informationen über diese Länder ist hinlänglich bekannt, dass diese für LGBT*-Menschen nicht sicher sind, weil diese dort verfolgt werden – von Seiten des Gesetzgebers mit hohen Gefängnisstrafen und von Teilen der Gesellschaft durch Ächtung. So wurde erst vor Kurzem ein 22-jähriger schwuler Mann in Tunesien, als er bei der Polizei angezeigt hat, dass er vergewaltigt wurde, zu einer Haftstrafe verurteilt. Die offensichtlich politisch gesteuerte Judikative hat das Opfer zu einer Haftstrafe verurteilt!!!
Alle SPD-Landtagsabgeordneten, die hier nicht mit NEIN abgestimmt haben, missachten demnach geltende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, sowie Beschlüsse des Bundesparteitags und des Landesparteitags und wollen uns weismachen, dass sich für Verfolgte in diesen Ländern kaum etwas ändert, wenn sie an Deutschlands Asyltür klopfen. Tut es aber. Die Beweislast liegt nun allein beim Asylbewerber, noch dazu bei sehr kurzen Fristen – wird der Antrag abgelehnt, hat ein Widerspruch keine aufschiebende Wirkung mehr und es wird unverzüglich abgeschoben; ein Widerspruch muss vom Heimatland aus erfolgen.
Hinzu kommt, dass ein Outing als homosexueller Mensch generell schwer fällt, insbesondere in Gesellschaften, in denen das tabuisiert und strafbar ist. Noch schwerer fällt ein Outing gegenüber Behördenmitarbeitenden – im Heimatland droht von solchen Verfolgung. In den Schnellverfahren bei Anträgen aus einem „sicheren Herkunftsland“ fehlt ausreichender Zugang zu fachkundiger Beratung und ausreichendem Rechtsschutz, es schließt sie faktisch von einer fairen Prüfung ihrer Asylgründe aus.
Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands war immer auch Anwältin der Menschenrechte, sie war solidarisch mit politisch Verfolgten. Die DL21 Bayern bringt ihr Entsetzen zum Ausdruck, dass die (breite Mehrheit) der SPD-Landtagsabgeordneten – nicht nur die Rechtsprechung des BVerfG, sondern auch Parteitagsbeschlüsse ignoriert und den Menschenrechten von LGBT-Menschen in den Rücken fällt. #SPDerneuern bedeutet auch Schutz der Menschenrechte, Solidarität mit Verfolgten.
Freundschaft!
Die Sprecherinnen und Sprecher des Forums Demokratische Linke 21 Bayern
Herbert Lohmeyer, Simon Grajer, Prof. Dr. Henning Höppe, Anja König, Jonas Lanig, Benjamin Lettl, Petra Metzger, Wolfgang Schmid, Hugo Steiner