Offener Brief an die Bundesministerin für Justiz und Verbraucherschutz und die SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl – Dr. Katarina Barley

Offener Brief an die Bundesministerin für Justiz und Verbraucherschutz und die SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl – Dr. Katarina Barley

24. April 2019

EU-Urheberrechtsgesetz inkl. des umstrittenen § 13 – Zustimmung der Bundesregierung durch die Bundesjustizministerin

Liebe Genossin Katarina,

als Sprecherinnen und Sprecher des Forums Demokratische Linke – Die Linke in der SPD – Landesverband Bayern, kurz DL21-Bayern, haben wir mit großem Erstaunen und noch größerem Entsetzen zur Kenntnis genommen, dass die Bundesregierung, vertreten durch das Bundesministerium der Justiz, dem umstrittenen EU-Urheberrechtsgesetz zugestimmt hat. Allein durch die Stimme Deutschlands hat dieses Gesetz eine Mehrheit gefunden. Dies ist für uns unerträglich und dieses Verhalten widerspricht allem Vorangegangenem.

Du selbst, liebe Katarina, hast dich auf dem Parteikonvent medienwirksam gegen den § 13 stark gemacht, der diese Upload-Filter ermöglicht bzw. ggf. nötig macht. Zudem hat der SPD-Parteikonvent beschlossen:

Zitat aus dem Beschluss des Parteikonvents, 3. Absatz: „… Daher begrüßen und unterstützen wir den Antrag der SPD-Gruppe im Europäischen Parlament, die bei den anstehenden Beratungen über die Richtlinie zur Urheberrechtsreform im Plenum auf eine Verhinderung von Upload-Filtern und stattdessen auf die Einführung von Bezahlmodellen drängen. Auch die Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert, sich in diesem Sinne einzusetzen. … “

Weiteres Zitat aus dem Beschluss des Parteikonvents, letzter Satz: „Wir setzen uns für eine europäische Regelung ein, die Upload-Filter verhindert.“ Unserer Meinung nach hast Du mit der Zustimmung in Brüssel diesem Beschluss des SPD-Parteikonvents zuwidergehandelt.

Dein jetzt sicher kommendes Argument, man hätte ja mit der Zustimmung eine vierseitige Protokollerklärung abgegeben, müssen wir dir entgegen, dass es sich hier nur um ein unsägliches Geschwurbel handelt, das einzig zum Ziel hat, das schlechte Gewissen, das diese Zustimmung brachte, etwas zu beruhigen. Beruhigen wolltest du wohl auch die aufgebrachte Parteibasis und die nun die SPD ablehnenden Bürgerinnen und Bürger. Eine NEIN oder eine Enthaltung wäre angemessen gewesen. Nichts anderes.

Das jetzt in Brüssel durch den Ministerrat, in dem Du die Bundesregierung vertreten hast, beschlossene EU-Urheberrechtsgesetz verhindert nach allen Expertenangaben diese Upload-Filter eben genau nicht.

Liebe Katarina, wahrscheinlich ist es Dir entgangen, deshalb erwähnen wir es explizit: In den vergangenen Monaten, als die öffentliche Diskussion um den §13 des EU-Urheberrechtsgesetzes am größten war und Hunderttausende auch mit der Unterstützung der SPD dagegen demonstriert hatten, hatten wir als SPD eine enorme Zustimmung bei Schülerinnen und Schülern, bei Studierenden, bei jungen Leuten allgemein. Unmittelbar nach dem Beschluss und der Zustimmung Deutschlands ist diese Zustimmung der jungen Leute für die SPD abrupt ins Gegenteil gekippt! Dafür „danken“ wir dir herzlich. Es war eine „grandiose Unterstützung“ im Europawahlkampf.

Des Weiteren, werte Genossin Katarina, hast du mit deiner Zustimmung gegen den (von euch immer umjubelten und bei jeder Gelegenheit zitierten) Koalitionsvertrag verstoßen. Darin heißt es unter „Digitales Europa“, Zeile 2212: „Eine Verpflichtung von Plattformen zum Einsatz von Upload-Filtern, um von Nutzern hochgeladene Inhalte nach urheberrechtsverletzenden Inhalten zu ‘filtern‘ lehnen wir als unverhältnismäßig ab.“

Diese Ablehnung hast du eben nicht vorgenommen. Ganz im Gegenteil, Du hast sie mit Füßen getreten.

Der möglichen Argumentation, die Kanzlerin habe die Richtlinienkompetenz, beugen wir gleich vor. Sollte dies das Argument für die Zustimmung in Brüssel sein, dann muss man schon feststellen, dass a) man an dieser Stelle dann eben auch mal die Koalitionsfrage hätte stellen müssen oder immer noch muss und b) man sich auch der Stimme hätte enthalten können. Aber nein, man kriecht der Union sonst wo hin, nur um diese, die SPD massiv schadende Koalition nicht zu gefährden und um die eigenen Mandate und Posten zu sichern. Nichts anderes.

In der letzten GroKo hat der CSU-Landwirtschaftsminister auch entgegen der Verabredung in der Koalition und gegen die SPD-Umweltministerin FÜR die Verlängerung der Zulassung von Glyphosat gestimmt. Der SPD war dies keinen nennenswerten Protest wert.

Eine Enthaltung in Brüssel hätte dazu geführt, dass dieses EU-Urheberrechtsgesetz mit diesem unsäglichen und von uns allen abgelehnten §13 keine Mehrheit gehabt hätte. Mit dieser Enthaltung hättest Du auch die zuvor erwähnten Beschlüsse des Parteikonvents und die Vereinbarung des Koalitionsvertrages eingehalten. Mit einem NEIN hättest Du so abgestimmt, wie es unsere SPD-Abgeordneten im EU-Parlament getan haben. Aber nein, man hat sich wieder einmal dafür entschieden, unserer SPD massiven Schaden zuzufügen.

Unverständliche und unnötige Aktionen wie diese demotivieren die Parteibasis immer mehr und machen es für uns immer schwieriger überhaupt noch einen Wahlkampf vor Ort zu organisieren.

*Liebe Katarina, wie viel wollt ihr der Basis noch zumuten, wie sehr wollt ihr die SPD noch beschädigen? Wie sollen wir für die Menschen in unserem Land wieder glaubwürdig erscheinen, wenn in regelmäßigen Abständen eine/r unserer Spitzenpolitiker mit solchen Aktionen in der Öffentlichkeit „glänzt“?

Wir sind nicht nur enttäuscht, sondern maßlos entrüstet über dieses Abstimmungsverhalten unserer Spitzenkandidatin ein paar Wochen vor der so wichtigen Europawahl. Vertrauen und Glaubwürdigkeit gewinnt man so nicht.

Werte Katarina, abschließend fragen wir dich, welche Konsequenzen Du aus diesem, die SPD und unseren Europawahlkampf beschädigendem Verhalten ziehst?

Mit solidarischen Grüßen

Die Sprecherinnen und Sprecher des Forums Demokratische Linke 21, Bayern

Herbert Lohmeyer, Simon Grajer, Prof. Dr. Henning Höppe, Anja König, Benjamin Lettl, Petra Metzger, Wolfgang Schmid, Hugo Steiner

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