Rote Linien der SPD und CETA

Rote Linien der SPD und CETA

08. September 2016

Die Roten Linien sind bei den Standards und beim Vorsorgeprinzip, bei der Transparenz und der Demokratie, beim Investorenschutz und den unklaren Definitionen, bei Öffentlichen Dienstleistungen, beim unbeschränkten Kapitalverkehr und bei der Kündigungsklausel überschritten!

Das sind keine Kleinigkeiten, die sich durch Nachverhandlungen oder Erklärungen der EU beseitigen ließen. Sie sind grundlegend. Da also die von der Partei gesetzten Roten Linien mehrfach entscheidend überschritten sind, muss der Konvent CETA konsequenterweise ablehnen!

Bündnis TTIP unfairhandelbar hat die Roten Linien der SPD und CETA gegenüber gestellt:

Standards und Vorsorgeprinzip

„Das Freihandelsabkommen darf Arbeitnehmerrechte, Verbraucherschutz-, Sozial- und Umweltstandards nicht gefährden. Einen Dumping-Wettbewerb, bei dem Staaten und Unternehmen sich Vorteile über Sozial- und Umweltschutzdumping verschaffen, lehnen wir ab. Deshalb muss im Rahmen des Handelsabkommens darauf hingewirkt werden, Mitbestimmungsrechte, Arbeits-, Gesundheitsund Verbraucherschutz- sowie Sozial- und Umweltstandards zu verbessern.“ (5. Parteikonvent 20. September 2014, Beschluss „Unsere Erwartungen an die transatlantischen Freihandelsgespräche“)

„Eine gegenseitige Anerkennung von Standards und Zulassungsverfahren darf es nur geben, wenn damit keine Absenkung des Schutzniveaus verbunden ist. Die parlamentarische Hoheit über die Definition von Standards und Zulassungsverfahren muss sichergestellt bleiben.“ (5. Parteikonvent 20. September 2014, Beschluss „Unsere Erwartungen an die transatlantischen Freihandelsgespräche“)

Das Vorsorgeprinzip ist in CETA zwar enthalten (Article 23.3 (3) und 24.8 (2)), aber es gibt keinen Mechanismus, es durchzusetzen, da im gleichen Atemzug der Risikoansatz genannt wird. Eine Missachtung der Vorgaben bleibt ohne Konsequenzen (Article. 23.11 und 24.16).

Verbraucher und Umweltschutzstandards dürfen den Warenhandel grundsätzlich nicht beeinträchtigen (Article 5.2).

Transparenz und Demokratie

„Die Verhandlungen müssen transparent, unter der demokratischen Beteiligung der Parlamente und unter Einbeziehung der Sozialpartner und der Vertreter der Zivilgesellschaft geführt werden, um diesem Abkommen eine breite gesellschaftliche Legitimation zu verleihen.“ (5. Parteikonvent 20. September 2014, Beschluss „Unsere Erwartungen an die transatlantischen Freihandelsgespräche“)

CETA soll vorläufig angewendet werden. Teile des Abkommens treten dann in Kraft, noch bevor die nationalen Parlamente der 28 EU-Staaten abgestimmt haben. Während der geheim geführten Verhandlungen gab es für die nationalen Parlamente keine Möglichkeit, auf den CETA-Vertragstext Einfluss zu nehmen.

Investitionsschutz

„Investitionsschutzvorschriften sind in einem Abkommen zwischen den USA und der EU grundsätzlich nicht erforderlich und sollten nicht mit TTIP eingeführt werden. In jedem Fall sind Investor-Staat-Schiedsverfahren und unklare Definitionen wie ‚Faire und Gerechte Behandlung‘ oder ‚Indirekte Enteignung‘ abzulehnen.“ (5. Parteikonvent 20. September 2014, Beschluss „Unsere Erwartungen an die transatlantischen Freihandelsgespräche“)

„Wir verfolgen (…) die Idee der Einrichtung echter internationaler Handelsgerichtshöfe“ (Bundesparteitag 10.-12. Dezember 2015, Beschluss Nr. 27)

„Zu diesen Grundsätzen gehört auch, dass die Anspruchsgrundlage des Investitionsschutzes nicht durch unklare Definitionen von Rechtsbegriffen wie ‚faire und gerechte Behandlung‘ einem weiten Interpretationsspielraum geöffnet wird.“ (Bundesparteitag 10.-12. Dezember 2015, Beschluss Nr. 27)

Es soll einen bilateralen Handelsgerichtshof geben (Article 8.27), der ausschließlich ausländischen Konzernen ein Klagerecht einräumt. Die Streitschlichter sind nebenberuflich tätig und werden nach Dauer der Verhandlungen bezahlt. Eine Eingrenzung und Präzisierung der Schadensersatzpflichten eines Staates gegenüber Investoren findet nicht statt (Article 8.9 (2)).

Es wird nicht ausreichend geklärt was unter „gerechter und billiger Behandlung“ zu verstehen ist (Article 8.10).

CETA wird zur Nebenverfassung, da der Handelsgerichtshof auf dessen Basis Urteile fällt (Article 8.31).

Internationale Standards (z.B. ILO)

„Beide Vertragspartner sollten sich verpflichten, internationale Übereinkünfte und Normen in den Bereichen Umwelt, Arbeit und Verbraucherschutz zu beachten und umzusetzen, insbesondere die ILO Kernarbeitsnormen und die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen.“ (5. Parteikonvent 20. September 2014, Beschluss „Unsere Erwartungen an die transatlantischen Freihandelsgespräche“)

Kanada hat nur sechs der acht ILOKernarbeitsnormen ratifiziert. In CETA wird Kanada dazu angehalten, die übrigen zwei zu ratifizieren. Verpflichtet sind die Kanadier jedoch nicht (Article 23.3 (4)).

Kanada hat das Cartagena-Protokoll über die biologische Sicherheit nicht ratifiziert und ist auch dazu nicht verpflichtet, da CETA an der Stelle im Vertragstext nur die Umsetzung schon ratifizierter Abkommen verlangt (Article 24.4 (2)).

Öffentliche Dienstleistungen

„Die hohe Qualität der öffentlichen Daseinsvorsorge in der EU muss gewahrt werden. Für den Bereich der Daseinsvorsorge sollen keine Verpflichtungen in Deutschland übernommen werden. Bisherige EU-Vereinbarungen zum Schutz öffentlicher Dienstleistungen dürfen nicht durch das Abkommen beeinträchtigt werden.

Den nationalen, regionalen und lokalen Gebietskörperschaften wird für die Ausgestaltung von Dienstleistungen im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse ein umfassender Gestaltungsraum garantiert. Audiovisuelle Dienstleistungen sind dauerhaft vom Anwendungsbereich des Abkommens auszunehmen. Die Entscheidungsfreiheit regionaler Körperschaften über die Organisation der Daseinsfürsorge muss unberührt bleiben.

Es darf keinen direkten oder indirekten Zwang zu weitere Liberalisierung und Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen oder gar eine Priorisierung ‚privat vor öffentlich‘ durch das Abkommen geben.Der Gestaltungsspielraum ist für die Zukunft zu gewährleisten.

Wir sind der Auffassung, dass ein Positivkatalog besser ist und mehr Vertrauen schafft als der bisherige Ansatz der Negativlisten.“ (5. Parteikonvent 20. September 2014, Beschluss „Unsere Erwartungen an die transatlantischen Freihandelsgespräche“)

„Im Bereich der öffentlichen Vergabe und Beschaffung dürfen Soziale und ökologische Vergabekriterien und ihre mögliche Erweiterung nicht in Frage gestellt werden. Unternehmen, die öffentliche Anträge bekommen wollen, müssen auf Einhaltung der jeweiligen Vergabekriterien, wie etwa die Tariftreue, verpflichtet werden.“ (5. Parteikonvent 20. September 2014, Beschluss „Unsere Erwartungen an die transatlantischen Freihandelsgespräche“)

Öffentliche Dienstleistungen müssen durch die verpflichtende Marktöffnung in CETA ausgeschrieben werden (z.B. Article 8.4).

Die Regelungstechnik folgt dem Negativlistenansatz. Es wird zwar im Annex 9-B auf die Central Classification-Liste (CPC) der UNO verwiesen, die ca. 300 Seiten umfasst. Doch die Klassifikationen in der Liste sind streckenweise sehr abstrakt, sodass auch „neue“ Dienstleistungen unter einem Oberbegriff klassifiziert und der Liberalisierungspflicht unterworfen werden können.

In Annex I gilt die Ratchet-Klausel. Das heißt, dass einmal vorgenommene Liberalisierungen nicht rückgängig gemacht werden können.

In Annex II gilt diese Regelung nicht. Allerdings gelten auch hier die Marktöffnungsvorschriften sobald kommerzielle oder wettbewerbliche Elemente bei der Erbringung der Dienstleistung eine Rolle spielen. CETA verpflichtet grundsätzlich zur transatlantischen Ausschreibung öffentlicher Aufträge (Article 19.4). In den generellen Ausnahmen werden Tariftreue oder Umweltstandards nicht explizit aufgeführt (Article 19.3).**

Unbeschränkter Kapitalverkehr

„Die Erfahrungen mit der jüngsten Weltwirtschaftskrise zeigen, dass statt einer völligen Freigabe des Kapitalverkehrs und einer weiteren Liberalisierung von Finanzdienstleistungen eine strikte Regulierung der Finanzmärkte notwendig ist.“ (5. Parteikonvent 20. September 2014, Beschluss „Unsere Erwartungen an die transatlantischen Freihandelsgespräche“)

Der Kapitalverkehr wird durch CETA liberalisiert (Article 13.6 und 13.7). Eine Regulierung im Sinne einer höheren Stabilität und Sicherheit des Finanzsektors findet nicht statt.

Kündigungsklausel „Ein Abkommen soll eine Klausel enthalten, die eine Korrektur von unerwünschten Fehlentwicklungen und ggf. Kündigung ermöglicht.“ (5. Parteikonvent 20. September 2014, Beschluss „Unsere Erwartungen an die transatlantischen Freihandelsgespräche“)

In der Kündigungsklausel in CETA gibt es eine entscheidende Ausnahme. Die Möglichkeit Schadenersatzansprüche auf Grundlage des Investitionsschutzkapitels geltend zu machen, ist noch 20 Jahre nach Kündigung gültig (Article 30.9 (2)).

Rote Linien der SPD und CETA (PDF, 154 kB)

CETA auf Deutsch

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